
Immersive Streaming im Sport: Wenn Zuschauer zu Teilnehmern werden
Veröffentlicht am
von Mara Kottke
Wie neue Technologien das Fan-Erlebnis revolutionieren
Die Art und Weise, wie wir Sport erleben, steht vor einem grundlegenden Wandel. Während man früher nur im Stadion die Atmosphäre eines Spiels hautnah erleben konnte, ermöglichen neue Technologien heute ein Erlebnis, das weit über das klassische Fernsehen hinausgeht. Immersive Streaming verspricht nicht weniger als eine digitale Teleportation ins Geschehen - direkt von zuhause.
In diesem Insight:
Die Vision hinter der Entwicklung ist klar: Zuschauer sollen nicht länger passive Konsumenten sein, sondern aktive Teilnehmer. Mit immersiven Formaten wird das Sporterlebnis zu einem interaktiven, personalisierten und hautnah erlebbaren Ereignis. Die Grenzen zwischen Realität und digitaler Welt verschwimmen dabei zunehmend - und das mit beeindruckender Wirkung.
Was bedeutet Immersive Streaming?
Immersive Streaming basiert auf einer Kombination innovativer Technologien wie 360-Grad-Videos, 3D-Stereoskopie, Spatial Audio und Multiview-Funktionalitäten. Zuschauer können zwischen verschiedenen Kameraansichten wechseln, sich virtuell im Stadion bewegen und Inhalte ganz individuell nach eigenen Interessen gestalten. Möglich wird das durch die Integration von VR-Brillen wie der Meta Quest oder der Apple Vision Pro, aber auch über mobile Endgeräte und OTT-Plattformen.
Use Cases: Von der Kings League über die Bundesliga bis hin zur HBL
Ein besonders eindrucksvolles Beispiel für den Einsatz dieser Technologie ist die Zusammenarbeit der Kings League mit dem Berliner Unternehmen Softseed. Mit der Plattform PLAIGROUND bietet Softseed ein immersives Live-Erlebnis, bei dem Fans per VR-Brille direkt ins Stadion „teleportiert“ werden. Dabei erhalten sie exklusive Perspektiven, können sich frei im virtuellen Raum bewegen und erleben das Spiel aus der ersten Reihe - ohne wirklich physisch vor Ort zu sein. Virtuelle Tickets zum Event eröffnen dabei neue Erlösmodelle für Veranstalter, während Sponsoren wie Telekommunikationsanbieter und Hersteller von Head-Mounted Displays innovative Möglichkeiten zur Markenaktivierung erhalten.
Auch die Bundesliga hat das Potenzial von Immersive Streaming erkannt. Beim Spiel des VfB Stuttgart gegen den SV Werder Bremen in der Rückrunde der Saison 2024/25 wurde ein 10K-Stream mit stereoskopischem 360-Grad-Signal produziert. Die Zuschauer konnten zwischen verschiedenen Kameraansichten wählen und erhielten exklusive Einblicke hinter die Kulissen. Die Technologie stammt ebenfalls von Softseed und wurde gemeinsam mit Sportcast umgesetzt. Sie kam bereits beim Supercup 2024 erstmals zum Einsatz und wurde mit dem Sport Tech Company Award ausgezeichnet - ein klares Zeichen für die Innovationskraft der deutschen Fußballliga. Auch beim Franz Beckenbauer Supercup in diesem Jahr arbeitete die DFL mit Softseed zusammen. Interessierte konnten mit der Apple Vision Pro das Spiel verfolgen und selbst dabei die Perspektive bestimmen.
Ein weiteres aktuelles Projekt im Immersive Streaming ist die Zusammenarbeit des THW Kiel mit dem VR-Unternehmen YBVR. Gemeinsam mit weiteren Partnern wurde das „kleine Derby“ gegen den HSV Hamburg als immersives VR-Erlebnis produziert, und sorgte bei den Fans für begeisterte Reaktionen.
Technologie und Infrastruktur hinter dem Erlebnis
International zeigt das Unternehmen YBVR, wie weit die Entwicklung bereits fortgeschritten ist. Mit der Plattform Xtadium wurden bereits immersive Erlebnisse für Sportevents wie Wimbledon, die NBA und die X Games geschaffen. Die Features reichen von Multi-Game-Ansichten über Mixed-Reality-Formate bis hin zu Replay-Funktionen und Watch Parties. Beim Final Four der EuroLeague Basketball lag die durchschnittliche Nutzungsdauer in der VR-Umgebung bei beeindruckenden 65 Minuten - ein Wert, der deutlich macht, wie intensiv Fans diese neuen Formate nutzen.
Technologisch erfordert Immersive Streaming ein komplexes Zusammenspiel aus leistungsfähiger Hardware, intelligenter Software und schneller Netzwerkinfrastruktur. Neben den genannten Headsets sind leistungsstarke Server, 360-Grad-Kameras, VR-Mikrofone und Steuerungstechnik notwendig. Die Netzwerke müssen hohe Bandbreiten liefern, weshalb 5G und Edge Computing eine zentrale Rolle spielen.

Mehrwert für alle
Die Vorteile liegen auf der Hand - für alle Beteiligten. Fans erhalten ein intensiveres, personalisiertes Erlebnis, das ihnen Zugang zu exklusiven Inhalten und Perspektiven bietet. Vereine und Veranstalter wiederum erschließen neue Erlösmodelle und erreichen ein globales Publikum, das über klassische Formate kaum erreichbar wäre. Marken und Sponsoren profitieren von innovativen Aktivierungsformaten, die sich gezielt an technikaffine Zielgruppen richten.
Marktpotenzial und Zielgruppen
Das Marktpotenzial ist enorm. Prognosen zufolge wird der Umsatz im Sport- und Entertainment-Sektor bis 2027 bei 3,5 Billionen US-Dollar liegen. Gleichzeitig besteht ein ungenutztes Marktpotenzial von über 300 Milliarden US-Dollar für digitale Live-Erlebnisse. Bis 2030 sollen weltweit mehr als zwei Milliarden Menschen ein Head-Mounted Display besitzen. Besonders gefragt sind immersive Technologien bei jungen, technikaffinen Zielgruppen zwischen 18 und 34 Jahren.
Herausforderungen auf dem Weg zur neuen Realität
Natürlich gibt es auch Herausforderungen. Die Produktionskosten sind hoch: Allein bei Softseed belaufen sie sich auf rund 20.000 Euro pro Produktionstag. Zudem ist der Zugang zu geeigneter Hardware nicht für alle Fans selbstverständlich. Auch Datenschutz und ethische Fragen im Umgang mit Nutzertracking müssen ebenfalls berücksichtigt werden.
Fazit
Dennoch ist klar: Immersive Streaming ist kein kurzfristiger Trend, sondern ein fundamentaler Wandel im Sportkonsum. Die Technologie ist einsatzbereit, die Nachfrage steigt, und die ersten erfolgreichen Pilotprojekte zeigen, dass die Zukunft des Sports immersiv, interaktiv und grenzenlos sein wird.